Fakten, 

Im Frühjahr 2022 wurde ein Schaden an den Flügeln erkannt, 
im März 2023 den Auftrag erhalten, die vorhandenen Flügel am 07.09.2023 demontieren,
am 
11.09.2023 einen Bericht bei „Hallo Niedersachsen“, 
am 12.10.2023 die neuen Flügel waren wieder angebracht.

die Reparatur in nur 35 Tagen was für eine Leistung, Hochachtung.

 

ein Situationsbericht von Michael Springer „Der Holzmichel“

Die Wettmarer Bockwindmühle ist die Letzte Ihrer Art in der Stadt Burgwedel, die ca. 30 km nordöstlich von Hannover zu einer der mühlenreichsten Gegenden Niedersachsens zählte. Eine historische Landkarte der Vogtei Burgwedel zeigt um 1662 bereits acht Windmühlen, zum Ende des 19. Jahrhunderts sogar 10, und zählt man die Nachbargemeinde Isernhagen dazu, soll es um 1900 sogar 22 Windmühlen gegeben haben.

Sie wurde erstmals 1585 erwähnt. Der Hausbaum aus Eiche wurde durch eine dendrochronologische Untersuchung auf das Fälljahr 1584 datiert, 1798 wurde die Mühle grundlegend erneuert und bis 1940 gewerblich genutzt. Nach diversen privaten Nutzungen wurde die Mühle im Jahre 2011 vom Heimatverein für das Kirchspiel Engensen – Thönse – Wettmar zum jetzigen Standort auf der Horst in 30938 Burgwedel-Wettmar transloziert und in einen betriebsbereiten Zustand versetzt.

Im Frühjahr 2022 wurde beim „Aufsegeln“ festgestellt, dass einer der Jalousieflügel augenscheinlich einen Defekt hatte und am Mühlendach hängen geblieben war. Daraufhin kam der Heimatverein auf mich zu mit der Bitte, ob ich mir das anschauen könnte. Der bisherige Mühlenbauer ist 170km entfernt und für so eine Kleinigkeit wohl kaum zu bekommen. Pfingstmontag soll wieder mit viel Publikum der Mühlentag gefeiert werden. Ich hatte im Jahr 2018 schon die Treppenaufhängung erneuert, war mir daher schon um die Besonderheiten des Bauwerks bewusst. Nachdem wir den Schaden von der Arbeitsbühne aus erstmal gesichert hatten, ging es dann im Mai mit der Reparatur los. Die letzten drei durchgesteckten Heckscheite zum Wellkopf eines Jalousieflügels waren abgebrochen. Bei näherer Betrachtung musste ich feststellen, dass es anscheinend einen Pilzbefall in den Zapfenlöchern wo die Heckscheite hindurchgesteckt wurden gab. Somit kontrollierten wir die gesamten Flügel auch unter Zuhilfenahme eines Bohrwiderstandsmessgeräts. Dadurch und auch durch nähere Betrachtung der anderen Flügel, stellten wir Kernfäule und Pilzbefall fest. Somit musste die Mühle leider stillgelegt werden.

Im Verlauf des Jahres wurde dann vom Heimatverein mit der fachlichen Unterstützung von Müllerei-und Mühlenbautechniker Rüdiger Hagen die Entscheidung getroffen, die Flügel auszutauschen. Es wurden Kosten- und Finanzierungspläne aufgestellt. Im April 2023 wurde sie auch in der „Monumente“, der Zeitschrift der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, vorgestellt in der Rubrik: Denkmal in Not. Fördermittelgeber sind die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Denkmalfördermittel der Region Hannover, Sparkassen Stiftung/ Sparkasse Hannover, Bingo Umweltstiftung, der Heimatverein für das Kirchspiel Engensen – Thönse – Wettmar sowie zahlreiche private Spender.

Gleichzeitig wurde jemand gesucht, der die neuen Flügel bauen würde. Aufgrund meiner Weiterbildung zum Restaurator im Zimmerer-Handwerk und diversen bekannten Referenzen sprach der Heimatverein mir das Vertrauen für den Auftrag aus, es wurde mir Mut gemacht und gebeten ein Angebot abzugeben. Schließlich wurde nach Sichtung der Angebote auch der Mühlenbautechniker überzeugt einem jüngeren Handwerker die Gelegenheit zu geben, sich mit der alten Technik auseinander zu setzen. Schlussendlich erhielt ich im März 2023 den Auftrag die Flügel zu erneuern.

Die erste große Herausforderung bestand in der Holzbeschaffung. Das Flügelkreuz aus Eiche bestehend aus zwei Bruststücken 10m lang, in der Mitte einen Querschnitt von 26/28cm zu beiden Seiten auf 21/16 auslaufend. Abgelagert wäre schön gewesen aber schlichtweg nicht zu bekommen. Die Hölzer hätten ja nun mindestens 15 Jahre liegen und dann auch die dementsprechende Qualität aufweisen müssen. Einfacher wurde es mit den 4 Ruten aus Lärchenholz aber auch nicht; ebenfalls 10m lang von der Wellkopfseite mit 16/26 zur Mitte auf 28/21 zur Flügelspitze mit 16/16 auslaufend. So richtig eingespannt ist hier auch nichts, somit sollten die auch noch relativ grade sein und keinen Drehwuchs aufweisen.

Nachdem ich von der Industrie selbst bei Standardquerschnitten in letzter Zeit keine sonderlich gut zu verarbeitende Qualität erhalten habe, hatte ich großen Respekt die Hölzer „blind“ irgendwo zu bestellen. Irgendwie habe ich es aber, nachdem er mich öfter abgewimmelt hat, doch geschafft das Sägewerk meines Vertrauens für diesen Auftrag zu gewinnen.

Hier wurde mir persönlich mal wieder bewusst, wie wichtig Kontakte und auch kleine familiengeführte Sägewerke mit der nötigen Expertise und auch dem Willen zu sowas sind.

Sebastian Alder vom gleichnamigen Sägewerk aus 31553 Auhagen hat sich meinem Projekt angenommen. Die Stämme tatsächlich extra ausgesucht und auch sämtliche Sonderschnitte an den Bruststücken und Ruten zu meiner vollen Zufriedenheit ausgeführt.

Somit konnte ich die vorhandenen Flügel am 07.09.2023 demontieren, um die als Vorlage für die Neuen nutzen zu können, was allerdings nur bedingt möglich war. Was das Ganze für mich besonders machte: dass nicht nur die 3400 Einwohner meines Heimatdorfes und der Nachbardörfer auf mich schauten, sondern der Abbau von der Regionalen Presse und dem NDR begleitet wurde. Hierzu gab es am 11.09.2023 einen Bericht bei „Hallo Niedersachsen“. Außerdem diverse Presseartikel. Schlussendlich haben wir ein Gemisch aus Vorlage der alten Ursprungszeichnungen und „so könnte es gehen“ genutzt.

Die Flügel bestehen nahezu nur aus Sonderbauteilen, angefangen bei der 50mm Bohrung durch 28cm Eiche bei den Bruststücken. Die Heckscheite, die einzeln in unterschiedlichen Neigungen quer durch die Flügelroute gesteckt werden, sind ca. 2,10m lang – am oberen Ende 45x50mm und laufen auf 35x40mm konisch in alle Richtungen aus. Davon brauchte ich dann erstmal 52 Stück, dann noch 26 nicht durchgesteckte, mit anderen Maßen aber ähnlich konisch: Bei der „kleinen“ Dimension und späteren Krafteinwirkung nur in Lärche Leistenware ohne nennenswerte Äste möglich. Ich habe eine Woche an der Formatkreissäge und dem Dickenhobel gestanden und habe sämtliche Heckscheite, Leisten, Bretter und andere Sonderbauteile in Eiche, Lärche und auch Esche aus Blockware geschnitten und gehobelt.

Die „Zapfenlöcher“ für die Heckscheite müssen von +2 bis -22 Grad durch die Routen gestemmt werden. Für jedes der 13 Löcher je Route benötigt es eine eigene Schablone. Außerdem müssen die Löcher von beiden Seiten gestemmt und noch per Hand nachgearbeitet werden. Segel und Jalousieflügel haben natürlich unterschiedliche Neigungen, somit 26 Schablonen in diversen Winkeln.

Bei den Jalousieflügeln und den entsprechenden 22 Jalousieklappen aus Aluminium je Flügel, die wir wiederverwendet haben, konnten wir uns dann fast die Karten legen und standen kurz vor der Nachtschicht. Alle Klappen werden mit einer hölzernen Zugstange verbunden und müssen genau in derselben Stellung angeschraubt werden. Wenn eine aus der Reihe tanzt, funktioniert das gesamte System nicht bzw. lässt sich zu schwer oder nicht weit genug öffnen oder schließen.

Letztendlich kommt dann ein Flügel mit 700 Kg daher und ein Bruststück mit 500 KG. Hier ist bei der Bearbeitung nichts mehr mit Menschenkraft möglich: ohne Gabelstapler und Radlader Vorort geht nichts. Ein Bruststück und ein Flügel werden dann Vorort miteinander verbunden, sind somit 1200Kg schwer und 15m Lang. Beides zusammen muss dann in 10m Höhe in den Wellkopf eingeführt werden, was bedeutet, dass der Flügel am oberen Ende 25m über dem Boden hängen muss und man einen dementsprechenden Kran benötigt. Der andere Flügel wird dann von unten angehängt; alle Flügel zusammen haben dann ein Gewicht von ca. 3800Kg.

Viele Glückliche Gesichter gab es, als sich am 12.10.2023 die Flügel mit Ihrem stolzen Durchmesser von 20m wieder drehten; auch wenn nur durch Anschwung, da leider kein einziges Lüftchen wehte.

Zimmermeister und Restaurator im Zimmerer- Handwerk Michael Springer, Der Holzmichel GmbH Zimmerei und Denkmalpflege, 30938 Burgwedel


1 Kernfäule

2 Rute mit Heckscheiten

3 Jalousieflügel

4 Flügel zusammengebaut

5 1. Flügel Montage

6 Torsion Flügel


7 Mühle fertig


Für die Zeitschrift „Restaurator im Handwerk“ war der Bericht von Michael Springer so interessant,
dass dieser in der Ausgabe | 4-2023 | Holz II veröffentlicht wurde.

Bitte die Fotos In einem neuen Tab öffnen

Danke an Michael Springer für die Freigabe des Berichtes aus der Zeitschrift „Restaurator im Handwerk“ und der Fotos